Der geschlossene „Pakt für den Nachmittag“ wird hochgelobt, ermöglicht er doch den Ausbau der Ganztagsangebote an sechs Grundschulen. Bei so viel Glanz muss es aber auch Schatten geben, oder? Richtig. Das betrifft bisherige Hort-Angebote.
Stadtrat Paul-Gerhard Weiß relativiert jedoch: „Wir verdrängen niemanden. “ Und: Der sogenannte Pakt ist kein verpflichtendes Angebot, die neuen Ganztagsklassen sind künftig frei wählbar. Die Anruferin ist nach unserem Bericht zur offiziellen Pakt-Unterzeichnung zwischen Stadt und Land empört. „Da gibt’s auch einige Verlierer“, sagt sie. Sie wisse von einer Erzieherin, „die sich jetzt was Neues suchen muss – und das mit über Fünfzig...“ Unausgesprochen schwingt mit: Da wird’s eng auf dem Arbeitsmarkt.
Bei Krabbelstubb e.V. steht keiner im Regen!
Der vermeintliche Skandal relativiert sich indes. „Wir haben drei Horte, davon schließen wir zwei“, bestätigt zwar Cornelia Wicht-Gerhardt. Aber die Geschäftsführerin des Krabbelstubb’ e.V. betont: „Die Horte haben sich betriebswirtschaftlich noch nie gerechnet. Und mit der Reduzierung der Zuschüsse im Jahr 2014 erhöhte sich der jährliche Fehlbetrag.“ Um sein Personal kümmert sich der Verein: Die Erzieher des Hortes in der Ludwigstraße gehen nächstes Jahr in Rente, die Erzieher aus dem Hort an der Senefelderstraße werden intern umgesetzt.
Die Krabbelstubb’ fühle sich nun keinesfalls von der Stadt im Stich gelassen. Der Ausbau der Betreuung an den Schulen sei politisch der richtige Weg. Cornelia Wicht-Gerhardt erinnert an die Genese: „Wir haben damals als Eltern den Hort gegründet, weil es zu wenige Hortplätze gab und man als verheiratetes Paar keinen der wenigen Hortplätze ergattern konnte. Die waren für Alleinerziehende vorbehalten.“
Die Zeiten ändern sich
Heißt auch da: Die Zeiten ändern sich. „Wir reagieren darauf. Unabhängig vom Pakt für den Nachmittag waren die Anmeldezahlen rückläufig und die Aufrechterhaltung des Angebotes ein finanzielles Risiko. Wir haben ja innerhalb des Vereins quersubventioniert, dies entfällt dann ab nächstes Jahr“, erläutert die Geschäftsführerin. Von einer wie auch immer gearteten Verdrängung könne laut Stadtrat Paul-Gerhard Weiß nicht die Rede sein. „Das sind alles zusätzliche Plätze; wir bauen unser Angebot aus“, betont der wieder in den Magistrat gewählte FDP-Politiker. Heißt: Die aktuelle Nachfrage ist weit größer als das Angebot. Die bisherige Rechnung der Stadt geht allein von 360 fehlenden Hortplätzen aus.
Man darf es abseits der pädagogischen Ausrichtung, Betreuung und Einschätzung verkürzt so fassen: Die Hortplätze sind künftig nur noch direkt an den Schulen angesiedelt. Eichendorff-, Goethe-, Hafen-, Beethoven-, Mathildenschule und Grundschule Buchhügel erhalten mit dem kommenden Schuljahr Lehrerstellen und Finanzmitteln, um die Kinder zwischen 7.30 und 17 Uhr verlässlich zu bilden und zu betreuen.
Die Hafenschule kommt
Wie das aussehen wird, benennt der Bildungsdezernent am Beispiel der Hafenschule. Von den vier Klassen pro Jahrgangsstufe firmieren künftig zwei als Ganztagsangebote. „Es besteht jedoch keine Verpflichtung für die Eltern. Das Angebot ist frei wählbar.“ Wer etwa sein Kind um 15 Uhr abholen will, muss sich an anderer Stelle um einen Platz bemühen. Wobei der Liberale weiß: „Die Ganztagsbetreuung kann den schulischen Erfolg verbessern.“
In eine ganz andere Richtung blickt derweil die SPD – in der Lederstadt, aber auch im Hessenland. „In Offenbacher Grundschulen konnte wohl keine Begeisterung für das Landesmodell geweckt werden, viele arbeiten trotz eines Bedarfs an Ganztagsplätzen weiter mit bewährten Fördervereinen und warten auf die Ganztagsschule“, sagt Landtagsvizepräsidentin und Stadtverordnete Heike Habermann. Ihre weitere Kritik zielt auf die schwarz-grüne Koalition in Wiesbaden: „Der Ausbau von Ganztagsschulen in Hessen wird weiterhin vernachlässigt.“
(Aus der Offenbach Post von Martin Kuhn)